Erfahrungsbericht Silvester-Schwitzhütte 2008-2009
Von "Arm und Schiach" zu "Reich und Schön"
Nach ausreichendem Advent, der nie so still werden wird, wie man ihn sich vorgenommen hätte, nach wie immer übergreifenden Weihnachtsfressorgien und dem berühmten Minzblättchen zu viel am Familienfest – endlich:
ENTSPANNUNG.
- Nein, doch nicht, es ist noch nicht vorbei:
Sylvester!
Die mühsame Entscheidung des Silvesterabends... Mit wem, wann, wo, warum nicht mit dem, aber doch mit der, außerdem die Frage ob abgefüllt oder hinüber gerollt, bewusstlos oder doch mit verändertem Bewusstseinszustand (da man glaubt es sei nun an der Zeit das Sprichwort „Bier auf Wein, lass es sein!“ ausreichend zu überprüfen), usw.
Zeitweilen erscheint es einer/einem ja, dass man hier untrüglich auf dem KAS-, anstatt dem SPASS-Planeten gelandet ist, und sich die himmlischen Mächte bei der Zielangabe irgendwie verhört haben müssen... - das wäre zumindest eine logische Erklärung für die eigenartigen Erlebnisse und Gefühlszustände, denen man hier zulande manchmal nicht ausweichen kann. - Das Universum ist ja so riesig, dass schon mal der eine oder andere kleine Verständigungsfehler, mit verheerender Wirkung passieren könnte?- Ist doch die menschliche Kommunikation erfahrungsgemäß nicht wirklich das sicherste Instrument des Ausdrucks und der Verständigung.
So. Also. Das Gefühl des KAS-Planeten in mir, übrigens mit vermehrt auftretender Häufigkeit in den Rauhnächten, wo es finster ist, richtig finster. Wo es nicht mehr reicht, also den Tag und somit die Stimmung nicht heller macht, einen neuen Rekord in „wie viele Kokosbusserl kriege ich auf einmal in meinen Mund“ aufzustellen. Wo es zwar tröstlich, aber nur von kurzer Dauer ist, sich manchmal mit Sonnencreme einzureiben und an den Heizkörper zu lehnen. Sich mit Sonnencreme unter den Christbaum zu legen, und eine Palme zu visualisieren ist auch nur für Fortgeschrittene ratsam.
So entschied ich, es sei angebracht und sinnvoll mein Jahr 2009 sinnhaft und in abenteuerlicher Innenschau zu begrüßen: Akzente setzen, anstatt Häschen-in-der-Grube-Spielen bis der Winter vorbei ist.
Schwitzen und Sitzen, statt Saufen und Kaufen.
Erster Tag:
Mit der Ankunft betrete ich einen Kreis Menschen, mit vielen neuen Gesichtern, die ich nicht kenne. Bin aufgeregt, so wie man immer aufgeregt ist, wenn man eine Reise begeht. Zum Glück: Die anderen sind auch aus Fleisch und Blut, zum Glück, auch sie leben kein nach Vanille und Honig duftendes Leben, auch ihres riecht hie und da einfach mal nach Sch.... Ich bin nicht allein.
Warum ich hier bin, Thema in der ersten Runde? Was für einen Übergang ich vollziehen möchte?
Ganz einfach: Von „arm und schiach“ zu „reich und schön“.
Ich will ernten, ich habe gesäät, gebeten und gedankt, jetzt möchte ich ernten. Mein Früchte ernten und das JETZT.
Zweiter Tag:
Eine kleine magische Reise mit mir, über eine Schwelle munter hinaus. Schneidend-kalte Luft im Gesicht. So dick eingepackt wie ein Michelin-Mandl. Rund herum weiß, alles ist weiß mit dunkler Rinde darunter, hart gefrohrene Pflanzen knirschen unter meinen Sohlen, als würde die Erde Zähne knirschen unter meinen Schritten. Weiß und weit. Oben ein Waldrand, dazwischen Felder oder Wiesen, nein, Weideland ist das, auch Zäune. Alles ist hügelig, zum Waldrand geht es bergauf. Ich stapfe bergauf, dem Wald entgegen,... - da ein Busch! - Frei stehend. - Ein bisschen vor dem Waldrand.
Ein Busch.
Ich glaube ich sehe verschwommen ohne Brille. Hat der Blüten?
Nein, rote Beeren! - Mitten in der Einöde, mitten im Winter, im Irgendwo ein Busch mit Früchten! Wirtschaftskrise hin oder her, Zahlen und Statistiken auf und ab, Beweise rund herum, widebumm, für mich gibt es, obwohl nichts danach vermuten lässt, nichts danach aussieht, inmitten dem gnadenlosen Weiß einen Busch mit Früchten! - Lache laut und grugelnd in mich hinein.
Abend:
Feuer. Es riecht nach Feuer. Meine Stimme wärmt mich im Singen, erfüllt den Raum in mir und um mich. Nackte Füße auf Wintererde. Echt. Es ist echt hier. Ich bin echt hier. Ohne all das Überflüssige, ohne all das Getuschel und all dem Lärm in der Stadt. Ich bin im Herzen mit den Sternenkindern. Fühle die uralte Seele in mir, gewandert durch alle Gezeiten, durch die Meere, die Lüfte. Keine Angst mehr mich zu spüren, kein Angst vor dieser Nacht mit ihrer Güte und Grausamkeit, ihren Kreaturen. Eingebettet. Richtig sein und Da-Sein.
Mehr braucht es nicht.
Den Mut zu haben zu bleiben oder auch zu gehen im richtigen Moment, in dem eigenen Moment.
Ich lasse es, lasse mich sein, lasse mich gehen und ankommen in mir. Ich lasse los bis zu Hingabe, denn bei dem Volk der Steine sprichst du Wahrheit, so sagt man. - Nutzlos sich zu verstecken!- Das Dunkle der Hütte ist wie der Schoß der Mutter Erde. Gütig und feucht, kreiernd und heilsam. Das Dunkle schluckt die letzte Scham, das letzte Jahr, all mein Zögern, all meinen Widerstand, all mein kopflastiges Wollen, und auch den letzten Witz auf den Lippen. Schale für Schale. Wandel.
Ich bin getragen durch die anderen, die mit mir sind und ich mit ihnen. Dampfend heraus krabbelnd erblicke ich die neue Welt, und rolle mich im Schnee aus. Lachend und neu. Inniger Dank.
Tag 3:
Mein erster Reichtum, mein erste Ernte: Gemeinsames einsammeln von Geschichten und Erlebnissen, wie reife Birnen, die vom Baum gefallen sind um ein Festessen daraus zu bereiten.
Liebevolle und wertschätzende Worte. Sich bemerken, den anderen bemerken, und mitteilen damit es allen zuteil wird.
Ob ich auch schöner geworden bin? Manche behaupten Ja. Reicher auf jeden Fall.
Daniela Samwald